Familiengeschichte – Familienschatz
Liederabend im Haus der Heimat mit Christoph und Ilse Maria Reich
Mutter und Sohn gemeinsam auf der Bühne – das reicht schon für ein Familienkonzert. Allerdings wurde im Haus der Heimat Nürnberg am 23. April 2023 viel mehr Familie daraus.
Zunächst fragt man sich, wie der in Hermannstadt geborene und in Landshut lebende Redakteur Christoph Reich, der als Kind Geige spielte, zum Gesang kam. Ganz einfach: Er sang zwar schon als Student in verschiedenen Chören. Als in Bukarest, wo er aufgewachsen ist, für die Johannes-Passion von Bach die Jesus-Stimme ausfiel, sprang er kurzfristig ein … Christoph Reich (Bariton) machte seine Gesangsausbildung danach bei der Opernsängerin Viviana Staffan-Araiza sowie bei Professor Thomas Gropper und widmet sich neben Oratorien auch Kantaten und Messen. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit den Liedern der beiden Romantiker Franz Schubert und Robert Schumann.
In der „Dichterliebe“ nach Texten von Heinrich Heine geht es um Sehnen und Verlangen, um reine Liebe, um verlorene Liebe, um Trost, Zerrissenheit, Schluchzen, Stöhnen. Heftige Emotionen und dann Hoffnung, Morgensonne und das Begraben der alten bösen Lieder.
Diese Höhen und Tiefen werden durch Ilse Maria Reichs Klavierspiel besonders eingängig begleitet und mitgestaltet, so dass man mitgerissen wird und mitfühlt, mit fiebert. Großartig! Ilse Maria Reich gehörte schon in Rumänien zur Elite der Orgelvirtuosen und machte Konzertreisen durch verschiedene europäische Länder, während sie Kantorin an der ev. Kirche in Bukarest war. Für das Haus der Heimat ist ihr Auftritt eine große Ehre. Nach ihrer Aussiedlung 1988 gründete die Künstlerin im bayerischen Rottenburg 1990 die Städtische Musikschule und leitete sie 16 Jahre lang. Die „Siebenbürgische Kantorei“ leitete sie 18 Jahre und spielt auch jetzt noch die Orgel in der Erlöserkirche Landshut. In der Pause gab es herzliche Begrüßungen von musikalischen Weggefährten aus verschiedenen Lebensabschnitten der Künstlerin.
Danach erlebte das andächtig lauschende Publikum eine erstaunliche Familiengeschichte: Wie die Lieder in siebenbürgisch-sächsischer Mundart, die von Georg Meyndt und Carl Reich stammen, beide Urgroßväter von Christoph, von Generation zu Generation weitergegeben wurden: Georg Meyndt (1852-1903) konnte keine Noten schreiben, sein Freund Carl Reich (1872-1953) schrieb die Lieder nieder und heute singt sie beider Enkel Christoph Reich. Ein weiterer Enkel, Heinz Acker, hat die Klaviersätze geschrieben. Und ein ganz besonderer einmaliger Moment für den Sänger: Noch nie hat Christoph Reich Lieder von beiden Urgroßvätern in einem Konzert gesungen.
Doris Hutter dankte im Namen des Nürnberger Kulturbeirates zugewanderter Deutscher, der den Liederabend organisiert hatte, für den berührenden Abend und wies darauf hin, dass Familiensinn auch im Haus der Heimat großgeschrieben wird. Dorothea Walter, Deutsche aus Russland, die 2023 den Vorsitz im Kulturbeirat hat, war besonders angetan vom Lied „Mutterharz“ und erwähnte dankend die Liedblätter, auf denen die Übersetzungen der Mundartlieder ins Deutsche standen, so dass alle Zuhörer/innen diese oft einfachen und doch so sensiblen Geschichten der realen Gestalten aus dem Dorf leben, die Georg Meyndt in seinen Liedern so anmutig verewigt hat und die zum Familienschatz geworden sind, erleben, erfassen, mitfühlen konnten.
Doris Hutter
Fotos : Inge Alzner