Barockensemble Transylvania aus Klausenburg in Nürnberg
Auf seiner europaweiten Tournee gastierte das Barockensemble Transylvania aus Klausenburg am 21. September 2018 auch in Nürnberg. Das Programm, klug zusammengestellt, enthielt drei Werke bekannter Komponisten, so Bach-Sohn Carl Philipp Emmanuel, Telemann und Boccherini und drei Musikstücke weniger bekannter Komponisten: Platti, Barrière und Francœur. Das Ensemble spielt auf Nachbauten alter Barockinstrumente und konnte sich in voller Lautstärke in einem entsprechenden Saal entfalten. Der Abend lief unter dem Motto Europa galante und war ein großer Erfolg.
Die Kunsthistorikerin neben mir guckt zur Decke und sagt: das ist der schönste Saal Nürnbergs. In der Tat, das Fembo-Haus, einzig erhaltenes, großes Kaufmannshaus der Spätrenaissance in Nürnberg, besitzt mehrere repräsentative Räume. Das Vestibül des zweiten Stockes, wo das Konzert des Barockensembles Transylvania stattfindet, hat eine prachtvolle Barockstuckdecke, die 1674 geschaffen wurde.
Kurz vorgestellt wurden die vier Mitglieder des Ensembles Transylvania von Dagmar Seck, die aus einem Buch mit dem Titel „Ehe im Quartett“ zitierend, die offene Frage stellt, ob bei dieser Ehe zu viert es hinter den Kulissen wohl öfters kracht, denn möglich wäre es, wenn ausgeprägte Persönlichkeiten aufeinandertreffen …
Den gesponnenen Faden aufnehmend sagt der Musiker Dr. Erich Türk, dass sich die Quartettmitglieder Transylvania prächtig verstünden. Sie seien ein Abbild Siebenbürgens, denn die vier Mitglieder haben drei unterschiedliche Muttersprachen. Musik aber kennt nur eine Sprache, die der perfekten Harmonie.
Als ersten Programmpunkt spielte das Ensemble ein Trio von Giovanni Platti. Was der berühmte Tiepolo im Bereich der Malerei für die Würzburger Residenz war, das war sein gleichaltriger Landsmann Platti im Bereich der Musik. Denn Platti stand im Dienste der Würzburger Fürstbischöfe und hat in Würzburg gelebt und komponiert. Das Trio in G-Dur strahlt Charme, Geist und Leichtigkeit aus und kann insgesamt als Italienisch-fränkische Anmut bezeichnet werden.
Kaum erklangen die ersten Noten, wurden die Konzertbesucher in eine längst vergangene Zeit versetzt. Das Quartett agierte in einem perfekten Zusammenspiel mit fein abgestufter Dynamik zwischen Cembalo, Geige, Violoncello und Blockflöte, so dass der Charakter der einzelnen Instrumente hörbar war.
Das zweite Stück stammt von Jean-Baptiste Barrière, der bekannteste und virtuoseste französische Cellist seiner Zeit. Durch seine Kompositionen erlangte das Violoncello den Durchbruch und löste die bis dahin vorherrschende Gambe ab. Seine Musik ist dem italienischen Stil verpflichtet, die spieltechnischen Anforderungen sind mit Doppelgriffen, bis zu vierstimmigen Akkorden und komplizierten Figurationen ungewöhnlich hoch. Die vierte Sonate B-Dur, ein dreisätziges Werk, belegt dies deutlich und erfordert eine hohe Virtuosität. Der Cellist Ciprian Câmpean, ein Meister seines Fachs, konnte zusammen mit Erich Türk, der ihn am Cembalo begleitete, mit großer Bravour dieses äußerst komplizierte Stück dem Publikum präsentieren. Die Bravo-Rufe fehlten nicht.
In der Sonate in g-Moll von François Francœur für Violine und Basso continuo konnte Mátyás Bartha sein solistisches Können zeigen. Er spielt eine speziell für ihn und nach seinen Wünschen gebaute Barockvioline von einem Geigenbauer aus Tg.Mures in Siebenbürgen. Der Klang einer Barockvioline, die mit Darmsaiten bespannt ist, hat einen milderen Klang und ist für kleine Säle besonders geeignet. Im zauberhaften Spätrenaissance-Saal des Fembo-Hauses lächelten bei dieser Musik sogar die kleinen Gips-Putten an der Decke.
Nach der Pause, in der die Musiker wie auch das Publikum sich mit Gebäck und Wein, dargeboten vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher, stärken und erfrischen konnten, ging es mit einem Cembalo-Solo-Stück weiter. Erich Türk erläuterte in seiner Ansage den gewaltigen Unterschied zwischen dem Vater Johann Sebastian Bach und dem zu seiner Zeit viel bekannteren Sohn Carl Philipp Emmanuel Bach. Der Sohn machte eine glänzende Karriere zunächst am Hofe Friedrichs des Großen und später als Musikdirektor der fünf Hamburger Hauptkirchen.
Die Zeit zwischen Barock und Klassik bezeichnet man als den „empfindsamen“ oder „galanten“ Stil. Ursprünglich aus Frankreich kommend, wurde er in Deutschland in der Kammermusik weiterentwickelt. Es ist eine weniger strenge Tonsprache mit verspielten Stilelementen. Man erwartete von den ausführenden Musikern, dass sie ein breites Repertoire von Klangeffekten bzw. Ornamenten beherrschten, um damit die melodischen Hauptlinien zu vergolden. Solche Effekte mussten oft von den Instrumentalisten improvisiert werden und waren in der Notation gar nicht vermerkt.
Erich Türk, ein großer Kenner der Barock-Literatur, spielte auf seinem aus Amsterdam stammenden Cembalo die Fantasia in fis-Moll von S.P.E. Bach. Das Publikum war verzaubert durch seine „Vergoldungen“.
Sein Talent als Solist musste im nächsten Stück Zoltán Majó nicht extra beweisen. Durch die wiederholten Tourneen ist er dem Nürnberger Publikum wohlbekannt. Die Partita in e-Moll für Blockflöte und Basso continuo von Georg Philipp Telemann, ein Glanzstück des galanten Stils, wurde mit großem Können und Empfindsamkeit interpretiert.
Für das letzte Stück des kurzweiligen Programms versammelten sich alle vier Mitglieder auf der Bühne, um das Fandango von Luigi Boccherini zu Gehör zu bringen. Es handelt sich um einen Satz aus einem Streichquartett, der von den Musikern auf das Spezifikum ihrer Instrumente adaptiert wurde. Als am Ende des Stückes Zoltán Majó seine kleine Blockflöte weglegte und die Kastagnetten zwischen die Finger nahm, ergriff der spanische Rhythmus des Fandango auch den letzten Besucher. Selbstverständlich mussten die Musiker nach dem frenetischen Applaus das letzte Stück wiederholen. Summend, singend, verabschiedete sich das Publikum vom Zauber des Saales und vom Zauber der Musik, in der Hoffnung, dass das Barockensemble Transylvania spätestens im nächsten Jahr erneut in Nürnberg gastiert.
Josef Balazs
Artikel erschienen in ADZ, Seite 7, v. 5. Oktober 2018