25. November 2018
Der befestigte Glaube – Lesung und Buchvorstellung

Siebenbürgische Kirchenburgenlandschaft im Nürnberger Fembo-Haus neu vermessen

Wo liegt eigentlich das wahrhaftige Siebenbürgen? Sind die Siebenbürger Sachsen ursprünglich echtes Teufelswerk? Geben die Siebenbürgischen Kirchenburgen völlig neue Details preis?

Wer der Einladung des Nürnberger Kulturbeirats zugewanderter Deutscher am 25. November zur Buchvorstellung „Der befestigte Glaube“ (siehe dazu auch die ausführliche Buchvorstellung in der Siebenbürgischen Zeitung vom April 2018) Folge leistete – und der Saal war rundum voll besetzt – hat neue, ungewöhnliche Erkenntnisse über Siebenbürgen, die Ursprünge der Siebenbürger Sachsen, über die bezaubernde europäische Kirchenburgenlandschaft mitnehmen können. Dazu auch emotional Hochklassiges, denn das von Josef Balazs zusammengefügte Angebot hatte es in sich.

Tatort war das Fembo-Haus zu Füßen der Nürnberger Kaiserburg, früher glanzvolles Kaufmannshaus, patrizisches Wohnpalais, seit 1953 Stadt-Museum, genauer sein Vestibül mit der wohl eindrucksvollsten noch erhaltenen spätbarocken Stuckdecke Nürnbergs im zweiten Obergeschoss (1674). Venus und Amor hatten für uns die Schirmherrschaft im Zeichen der Liebe und Freundschaft übernommen. Als Josef Balazs uns die alternative Wahrheit der Brüder Grimm auftischte, die Siebenbürger Sachsen seien Nachkommen der 130 vom Teufel entführten Kinder aus Hameln, waren wir sehr gut bedient. Ob das damalige Gerücht vom Kinderraub wahr ist? Aber eine Geschichte muss ja bekanntlich nicht wahr sein, um Wirkung zu entfalten.

Aber der Reihe nach: Etwas provokant von Haus aus und mit deutlicher Lust an unkonventionellen Sprachbildern erfolgte die launige Begrüßung durch den Initiator des Abends und zugleich Mitherausgeber und Mitautor des Buches, unser Enfant terrible Josef Balazs. Seiner ideenreichen, mitunter angenehm provokativen Einführung folgte Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen van Buer, emeritierter Professor an der Humboldt-Universität, ebenso Herausgeber und Mitautor, der durch seine Aufnahmen neue Maßstäbe für die fotografische Darstellung der Kirchenburgen in Siebenbürgen setzt. Mit leicht lyrischem Gestus nagelte er uns in seiner Lesung zu Siebenbürgischen Lebensräumen zwischen Idylle und Verfall auf seine neue Sicht der siebenbürgischen Welt fest. Sein eindringliches Plädoyer, seine Liebeserklärung an Siebenbürgen speist sich aus seinem Gespür für das Besondere: „Siebenbürgen. Ein bezauberndes Land. … Unübersehbar sind die Brüche, die tiefen Narben der Zeit … Wenn die plündernden Horden kamen, wenn die Dörfer brannten, war Hoffnung das Versprechen der Wehrkirchen. Sie künden von der langen Geschichte der Siebenbürger und ihres Überleben-Wollens. … Sie waren immer Lebensräume, vor allem waren sie Überlebensräume.“

Die lyrischen Höhen von Prof. van Buer verlassend, wandte sich Horst Göbbel den Niederungen der Historie zu und erläuterte die Umstände, die die siebenbürgischen Kirchenburgen hervorbrachten, deren Funktion als Abwehr- und Glaubenszentren ersten Ranges über Jahrhunderte hinweg, ihre Verwobenheit mit dem Charakter ihrer Erbauer und Nutzer. „Diese Kirchenburgen sind eine kulturhistorische Rarität und wesentlicher Teil der europäischen Kulturlandschaft Siebenbürgen. Diese Kirchenburglandschaft atmet den Geist der wechselseitigen Beziehungen, sie ist gewichtiges Identitätsmerkmal der Siebenbürger Sachsen.“

Dr. Birgit Rauschert, kompetente Kunsthistorikerin und Kuratorin von Ausstellungen, übernahm den Part, den „opulenten Bildband“ kunsthistorisch zu vermessen. Ihre einwandfreie Expertise ergab, dass Jürgen van Buer „Bilder schuf, die zwar dokumentarisch sind, jedoch nachdrücklich als Kunst auftreten und die Qualität von Malerei besitzen: Geradezu heroisierend werden die stummen Bauten von ihm in Szene gesetzt, dramatisch beleuchtet und effektvoll inszeniert. … “ Sie fuhr dann in ihrer präzisen, überzeugend formulierten Analyse fort: „Mehrmals wurden sie bereits von namhaften Leuten fotografiert, sooo aber hat sie vor Jürgen van Buer noch keiner gesehen: Mit harten Konturen als im gleißenden Licht ruhende Baukörper, die er in ihrer ganzen Plastizität hervortreten lässt. Schwarz und Weiß-Kontraste prallen hier aufeinander, aber auch Grautöne die beweisen, dass auch Schwarz-Weiß-Grafik, um die es sich hier handelt, farbig wirken kann. Insgesamt sind diese Bildnisse sehr ästhetisch, im Kontrast zu den Architekturen oftmals zarte, wie zerzaust wirkende Schleierwolken, …“ Schließlich setzte sie noch eines drauf, als sie festhielt: „Ähnlich wie ein Virtuose an der Orgel zieht Jürgen van Buer sämtliche Register, um einen visuellen, sehr bestimmten „Klang“ zu erzeugen.“

In seiner zweiten Bildepisode („Außenhaut“) sinnierte Prof. Jürgen van Buer über das vermeintlich „unüberwindbare Bollwerk“ und den scheinbar ungebrochenen Glauben daran. Hochgemauert, verstärkt, „vernarbt von der Zeit“, verrutscht, teils abgetragen, „eingerissen auch“. Jedoch: „Wenn die Mauern noch stehen, stehen sie trutzig. Ein wenig feindselig auch.“ Und er resümiert: „Alte Zeit ragt in die neue. Erscheint noch nah. Und ist doch schon so weit entfernt. Selbst wenn das Tor nicht verschlossen ist.“ Hier klingt bei van Buer auch Wehmut mit.

Seinen eigenen (stark gekürzten) Text aus dem Buch – „Eine historische und geographische Merkwürdigkeit – Transsilvanien und die Siebenbürger Sachsen“ – vortragend, lief Josef Balazs zu hoher Form auf. Im Zentrum stand dabei die über Jahrhunderte sich hartnäckig haltende alternative Wahrheit der Hamelner Sage. Von Jobus Fincelius (Nürnberg 1556), über anonyme Dichter des 16. Jh., Richard Verstegan (London 1605), Athanasius Kirchner (Rom 1650) bis hin zu Johannes Tröster (Nürnberg 1666) war klar, dass die Siebenbürger Sachsen „ein Teufels-Volck“ seien. „Zweifelsfrei war es der Teufel“, bestätigt z. B. Kirchner, „der die Kinder bezaubert und sie in ein anderes Land versetzt hat. Die Geschichte bezeuge, dass in Transsilvanien Kinder erschienen sind, die bis zum heutigen Tag die „Teutsch-Sächsische“ Sprache reden.“ Das alles klang schon deutlich mephistophelisch und traf so richtig den Nerv des Abends. Der anschließend im Erdgeschoß von unserem Mundschenk Pape Seck gereichte echte kühle Wein verhalf uns, beim wortreichen Ausklang auf den Boden der (Kirchenburg)Realitäten zurückzukehren.

Dass Josef Balazs zaubern, nein, verzaubern kann, hat er öfters bewiesen. Auch an diesem Abend, dem wahrlich ein Zauber innewohnte. Auch und besonders durch die Musik des Gitarristen Johannes Künel: Kaum jemals zuvor haben die Anwesenden eine solch hauchzarte Interpretation von „Siebenbürgen, Land des Segens“, „Im Holderstrauch“ und „Es saß ein klein wild Vögelein“ auf der Gitarre erlebt. Die Gitarre allein schafft das natürlich nicht. Dafür ist die Präsenz, das breitgefächerte Können, das feinfühlige musikalische Gespür eines Master of Music Johannes Künel ausschlaggebend. Danke Josef! Danke Johannes Künel!

Gar nicht selbstverständlich ist es, dass diese Präsentation in einer Vorzeigestube Nürnbergs stattfand. Deshalb geht unser Dank auch an Birgit Fernengel, der gute Engel, der das ermöglicht hat. So kann es in der Reihe „Zu Gast im Fembo-Haus“ munter weitergehen.

Horst Göbbel

Flyer Buchvorstellung Der befestigte Glaube

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