16. Oktober 2016
Russland-Deutsches Theater Niederstetten: „Der weite Weg zurück“

Welches Zuhause meinst du?

Wie lange braucht es nach einem Umzug, bis aus dem neuen Wohnort das Zuhause wird? Wo gehört man hin? Was ist Heimat? Dies sind Fragen, die man etwa einem Rheinländer stellen könnte, der 2016 nach Franken zieht. Seine Antwort wäre sicherlich interessant und aufschlussreich. Man kann sie aber auch einem sog. Spätaussiedler stellen, dessen Vorfahren vor 250 Jahren nach Russland ausgewandert sind und der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Deutschland „zurückgekehrt“ ist. Man muss dann jedoch damit rechnen, dass die Antwort etwas Zeit in Anspruch nehmen könnte. Das Russland-Deutsche Theater Niederstetten braucht im gut gefüllten Großen Saal des Gemeinschaftshauses Langwasser etwa eineinhalb Stunden, um auf diese Fragen einzugehen.

Die Schauspieler Maria und Peter Warkentin geben dabei keine endgültigen Antworten. Jeder muss bzw. kann für sich entscheiden, wo er sich ab welchem Zeitpunkt zu Hause fühlt. Was die Warkentins machen, ist, dem Publikum zu erklären, weshalb sich die späteren Deutschen aus Russland zweimal auf den Weg gemacht haben: unter Zarin Katharina II. fort in den Osten und nach dem Stalinismus und dem Zerfall der Sowjetunion zurück in den Westen.

Doch es gibt im Stück „Der weite Weg zurück“ nicht nur lehrreiche Informationen, sondern auch reichlich Emotionen. Die Schauspieler gewinnen das Herz der Zuschauer, indem sie Biographisches erzählen, Erinnerungen teilen und, vor allem, Lieder singen. Der Abend ist kurzweilig, amüsant und herzerwärmend. Das liegt nicht zuletzt an den beiden Darstellern, die ursympathisch wirken und in ihrem bodenständigen Auftreten viele Identifizierungsmöglichkeiten für all jene bieten, die schon einmal geliebt, gelebt, geweint und gefeiert haben – und eben alles hinter sich gelassen haben und ausgewandert sind.

Wie nah man sich trotz der einstigen Distanz letztlich ist, merkt der hiesige Zuschauer spätestens dann, wenn er zugeben muss, dass der wolgadeutsche Dialekt auch für einen Franken bestens zu verstehen ist. Maria Warkentin spricht den Großteil des Abends ihre Mundart, was einem auf Brauchtum und Heimatpflege bedachten Nürnberger die Augen öffnen sollte: „Kann es sein, dass diese Leute im Osten über all die Jahre ihre deutsche Kultur bewahrt haben?“ – So ist es!

Maria und Peter Warkentin kommen mit ihrem Programm „Der weite Weg zurück“ beim Publikum bestens an, das lässt sich schon an ein paar Zahlen ablesen: Seit der Premiere vor 16 Jahren haben sie das Stück über 200 Mal aufgeführt, in über 160 Städten in Deutschland ist das Russland-Deutsche Theater bereits aufgetreten. Für die zahlreich anwesenden Nürnberger Fans war es eine große Freude, sie mal wieder bei sich zu Hause erleben zu dürfen.

Dagmar Seck

Über das Theater

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