7. November 2010
Konzert „Tänze und Texte aus dem alten Wien“

Debüt des Nürnberger Kulturbeirates mit dem Wiener Abend

Am 7. November 2010 gab der Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher als Veranstalter sein erfolgreiches Debüt mit dem thematischen Konzert unter dem Motto „Tänze und Texte aus dem alten Wien“, bei dem die Interpreten es in hervorragender Weise verstanden, die zahlreichen Zuhörer des im Voraus ausverkauften Konzertes, das unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly stand, mit ihrer musikalischen und literarischen Darbietung zu begeistern.

Auf dem Programm standen Stücke der Wiener Musiker und Komponisten Johann und Josef Schrammel und Alois Strohmeyer. Die Schrammelmusik, ein international bekannter Musikstil, den die Gebrüder Schrammel Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt haben, wurde ursprünglich in Wien von einem Trio oder Quartett in Gaststätten und Heurigenlokalen als Unterhaltung für das einfache Volk gespielt. Typische Besetzung waren zwei Geigen, eine Kontragitarre und eine Klarinette, von den Wienern liebevoll das „picksüße Hölzl“ genannt.

Durch ihre Art und Weise die Wienerlieder zu spielen, gelangte das Schrammelquartett bestehend aus Johann und Josef Schrammel, Anton Strohmeyer und Georg Dänzer zur großen Berühmtheit und spielte bald auch in den Palais und Salons der Wiener Aristokratie und des Großbürgertums. Johann Strauss, Johannes Brahms und Arnold Schönberg verfielen der Schrammeleuphorie genauso wie Rudolph, Kronprinz von Österreich-Ungarn. Es folgten Gastspiele durch Deutschland und die südlichen österreichischen Kronländer. Noch heute erfreut sich die Schrammelmusik großer Popularität nicht nur in Österreich, sondern auch in den Siedlungsgebieten der Deutschen im Südosten, wie z.B. Banat und Siebenbürgen, wo sie die Kultur der dort lebenden Menschen mitgeprägt hat.

Das Konzert wurde durch einen kurzen Vortrag von Brigitte Steinert, Kulturreferentin und stellvertretende Direktorin des Hauses des Deutschen Ostens aus München, eingeleitet. Sie gab einen biographischen Abriss über das Werden und Wirken der Mitglieder des damaligen Schrammelquartetts, warf aber auch einen kurzen Blick auf Alltag und Lebensweise der Menschen im alten Wien.

Das heutige „Schrammelquartett“ besetzt mit Musikpädagogen der Gnadenthal- und Reuchlin- Gymnasien aus Ingolstadt standen mit ihrer Perfektion und Virtuosität in der Beherrschung ihrer Instrumente dem echten Schrammelquartett kaum nach. Denn sobald der in Sathmar gebürtige Stefan Vasil (1. Geige) und Johanna Kurz (2. Geige) ihren Bogen an die Violine legten, Dr. Ulrich Sommerrock in die Saiten seiner Kontragitarre griff und die in Japan geborene Kozue Sato ihre Piccoloflöte an die Lippen setzte, zauberten sie ein leichtes, teils melancholisches und in der Vergangenheit schwelgendes Lächeln auf die Gesichter der Zuhörer und die Köpfe wiegten sich im Dreivierteltakt.

Das Scheitern hat viele Gründe, so sagt man, dem Gelingen wohnt sein eigenes Geheimnis inne. Das Geheimnis dieses Erfolges ist schnell gelüftet. Neben dem musikalischen kam das Publikum auch in den literarischen Genuss, nämlich dem der Wiener Texte vom Barock bis zur Moderne, die vom katholischen Pfarrer aus der Gemeinde Spalt – Erich Schredl – kunstvoll vorgetragen wurden. Obwohl Erich Schredl die Auswahl der vorbereiteten Texte von Abraham a Santa Clara, Heimito von Doderer, Friedrich Torberg, Helmut Qualtinger und André Heller spontan änderte, hatte man stets das Gefühl, er habe vollständig durchdacht und emotional durchlebt, was er vortrug. Dem u. a. in Wien Theologie studierten Schredl, dem das Wienerische im Blut und auf der Zunge zu liegen scheint, gelang es durch seine hervorragende Rhetorik, Mimik und Gestik die Wiener Atmosphäre des Fin de Siècle heraufzubeschwören. Mit dem Vortrag aus Qualtingers Der Herr Karl scheute er sich nicht gegen Ende, den verklärten Blick von der guten alten Zeit jäh abzuwenden und auf den Durchschnittsbürger als Mittäter zu richten.

Getragen und umrahmt wurde der Auftritt dieses eingespielten Ensembles von der prachtvollen Atmosphäre des kleinen aber feinen Hirsvogelsaales, der 1534 erbaut wurde.

Nach dem Konzert lud der Nürnberger Kulturbeirat die Besucher zu Gesprächen und einem Glas österreichischen Weines ein. So konnte das Nürnberger Publikum vor der romantischen Kulisse des Tucherschlosses den Zauber der schönen Melodien noch auf sich wirken lassen. Schöner kann es selbst in Wien kaum sein!

Rita Kiss