Abseits von den großen historischen Siedlungslandschaften der Deutschen in Rumänien liegt im nordwestlichen Verwaltungskreis Maramureş die heute rund 15.000 Einwohner zählende Stadt Vişeu de Sus, deutsch Oberwischau, ungarisch Felsővisó, die 1365 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Die Ortschaft, die sich entlang der Flüsse Wasser und Wischau erstreckt, befand sich im südlichen Teil des Komitates Marmarosch (auch Marmatien genannt), dem drittgrößten ungarischen Distrikt der Donaumonarchie, der als Landstrich bereits 1099 in einem Dokument als Jagdrevier König Emmerichs (1196-1204) aufscheint.
Die an Salzvorkommen und Wäldern reiche Region wurde im Zuge der Kolonisierung Südosteuropas im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert von deutschsprachigen Kolonisten besiedelt. Viele von ihnen waren Waldfachleute aus dem oberösterreichischen Salzkammergut und wurden mit der Reorganisierung des Holzwesens nach dem Vorbild ihres Herkunftsgebietes beauftragt. Zur Arbeit dieser Ansiedler gehörte auch das Herstellen von Flößen, mit denen man auf der Theiß den günstigsten Salztransport zu den Hauptumschlagplätzen sichern konnte. Sowohl das an Holz reiche Wassertal als auch die Wasser bzw. die Wischau als Zuflüsse der Theiß waren für dieses Vorhaben bestens geeignet. Deshalb ließ der Ärar (Fiskus) 1778 einen Teil der oben genannten oberösterreichischen Kolonisten auch im Wassertal mit dem Hauptort Oberwischau ansiedeln. Diese Einwanderer erhielten ab 1796 Zuzug aus der slowakischen Zips, einer deutschen „Sprachinsel“ im östlichen Vorland der Hohen Tatra. Die Herkunftsbezeichnung dieser Menschen übertrug die ungarische Verwaltungsbehörde sowohl auf die bereits ansässige als auch auf die später zugewanderte deutschsprachige Bevölkerung des Wassertales, wonach diese bis heute Zipser genannt werden.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als auch die Einwanderung armenischer und jüdischer Händler einsetzte, wurde das Wassertal eine Landschaft mit gemischtethnischem und multikulturellem Charakter. Oberwischau beheimatete außer Deutschen, Österreichern, Zipsern, Rumänen und Ukrainern auch ungarische, armenische, polnische und slowakische Einwohner, die ein friedliches Miteinander pflegten. Dieses enge Zusammenleben führte jedoch weder zu einer Verschmelzung der Ethnien noch zu einem Aufgehen in der rumänischen Mehrheitsbevölkerung. Jahrhunderte hindurch konnten sich hier Deutsche, Juden, Rumänen, Ukrainer und Ungarn sprachlich, kulturell und konfessionell eigenständig entfalten und ihre Traditionen pflegen. Die Gotteshäuser der römisch-katholischen, griechisch-katholischen und griechisch-orthodoxen Konfessionen sind bis heute wichtige Mittelpunkte des Glaubens- und Gemeinschaftslebens geblieben. Gottesdienste und liturgische Handlungen wurden immer in der Muttersprache der Gläubigen zelebriert. Zur staatsbürgerlichen Pflicht gehörte das Erlernen von Rumänisch, der einzigen Amtssprache. Mit zwischenzeitlichen Unterbrechungen bestand aber die Möglichkeit, Grund- und Hauptschule, insgesamt acht Schuljahre, in der jeweiligen Muttersprache zu absolvieren. Das kommunistische Regime (1948-1989) führte die Deutschstämmigen – wie auch andere nichtrumänische Bevölkerungsgruppen, sechzehn an der Zahl, – als „nationale Minderheit“. So galten die Deutschen als „rumänische Staatsbürger deutscher Nationalität“.
Die Mundart der „Deutschen“ im Wassertal basiert eigentlich auf einer einzigartigen Sprachfusion, die ein interessantes sprachgeschichtliches Detail aufweist: Die Einwanderer aus dem Salzkammergut haben ihre Herkunftsbezeichnung zugunsten der Zipser Ansiedler verloren. Sprachlich hingegen setzte sich die oberösterreichische Mundart durch und entwickelte sich zum Idiom der Wischaudeutschen, weil das Mittelbairische dem Hochdeutsch, das in Kirche und Schule gesprochen wurde, näher stand als das Zipserische. Dieses wurde somit in einem Zeitraum von etwa einem Jahrhundert allmählich von der Mundart der Salzkammergütler, dem so genannten Teitsch, verdrängt, allerdings erst nachdem viele zipserische Elemente, Lexeme und Redewendungen in sie eingeflossen waren. Das Zäpserisch schrumpfte allmählich zu einem Familien- bzw. Hausdialekt und wird seit den 1970er Jahren in Oberwischau weder gesprochen noch verstanden.
An der Grundschule der deutschen Abteilung der Allgemeinschule Oberwischau wird Deutsch immer noch als Unterrichtssprache verwendet, der Mangel an deutschsprachigen Fachlehrern hat jedoch dazu geführt, dass an der Oberstufe zurzeit die meisten Fächer in rumänischer Sprache gelehrt werden. Trotzdem sind die Schülerzahlen im Steigen begriffen, da die deutschen Schulen in Rumänien den Ruf von Eliteeinrichtungen haben und deshalb auch von einer Überzahl von Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache frequentiert werden. Diese Situation wirkt sich erfreulicherweise auf die multiethnische Bevölkerung des Wassertales positiv aus: Für die Kinder aus den noch verbliebenen deutschsprachigen Familien kann auf diese Weise der muttersprachliche Unterricht gewährleistet werden und den mitwohnenden Ethnien eröffnet sich der Zugang zur deutschen Kultur und nicht zuletzt zur europäischen Völkergemeinschaft.
Nach 1970 wanderte der Großteil der so genannten Zipser aus dem Wassertal in die Bundesrepublik Deutschland aus, wo sie sich vorwiegend in den Großräumen Ingolstadt, München, Nürnberg, Singen und Stuttgart niederließen. Die Zahl der Oberwischauer Deutschen wurde in der Hochblüte auf circa 6.000 geschätzt. Den statistischen Daten des Bistums Sathmar aus dem Jahr 2015 ist zu entnehmen, dass die römisch-katholische Pfarrgemeinde rund 1.100 Angehörige zählt. Der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung liegt unter 300 Seelen.
Die Oberwischauer Aussiedler in Deutschland sind im Verband der Oberwischauer Zipser e. V. organisiert. Ihr Mitteilungsblatt ist der Wassertaler Heimatbote, der zweimal jährlich in Ingolstadt erscheint.
Anton-Joseph Ilk
Homepage: Verband der Oberwischauer Zipser e.V.